MDR neu: Die hohe Kunst des Medizinproduktes
- 08.07.2020
- Marketing Infrastructure & Transportation Business Assurance
- Erstellt von TUEV AUSTRIA
Der Geltungsbeginn der neuen MDR (Medical Device Regulation) ist aufgrund der Corona-Krise auf 26.05.2021 verschoben worden. Alle Beteiligten, die sich mit der Umsetzung befassen, sollten dies aber schon heute tun: Vor allem auf Hersteller warten einige Veränderungen. Verzögerungen sind durch den Engpass an Benannten Stellen ebenfalls nicht ausgeschlossen.
Der TÜV AUSTRIA Medizinprodukte-Tag wurde dieses Jahr online abgehalten. An die 60 Teilnehmer/innen waren im Livestream zugeschalten, um von den Experten/innen einen Statusbericht zur neuen MDR zu erhalten: Was ändert sich für Betreiber, Hersteller und Technische Sicherheitsbeauftragte? In einem Punkt waren sich alle einig, egal, ob aus dem Blickwinkel der Benannten Stelle, des Herstellers oder des Betreibers gesehen: Die Anforderungen sind umfassender geworden.
Technisch dokumentiert
Das Qualitätsmanagement-System war in der Vergangenheit nicht zwingend erforderlich. Nun ist es integraler Bestandteil der MDR und umfasst beispielsweise die klinische Bewertung und die Sicherheitsberichte. Der Hersteller wird zukünftig den Behörden mehr berichten und die Technische Dokumentation detaillierter und wesentlich klarer darlegen müssen als bisher. Die Dokumente sollen laut Richtlinie in organisierter und leicht durchsuchbarer Form zur Verfügung gestellt werden – alleine dieser Punkt nimmt viel Zeit in Anspruch. Die Erstellung einer Technischen Dokumentation und die Herstellung gemäß dieser Technischen Dokumentation sind auch Bedingungen für die Eigenherstellung von Medizinprodukten.
Das Zertifizierungsverfahren
Die Gliederung der Technischen Dokumentation ist nun klar vorgegebeneben und wird bei einem Zertifizierungsverfahren eingehend geprüft. werden. Risikomanagement, Kennzeichnung, Produktbeschreibung, Verifizierung und Validierung – hier steckt viel Arbeit dahinter. Achtung auch bei der Auditplanung: Das Erstaudit hat einen erheblichen Umfang, Überwachungsaudits nach MDR sind ebenfalls nicht an einem Tag durchzuführen. Der Weg zur CE-Kennzeichnung dauert länger als früher!
Für Gesundheitseinrichtungen bedeutet das: Die Neuzertifizierung aller Medizinprodukte nach MDR ist in den nächsten Jahren notwendig, die Zulassung kann sich aber durch den Engpass von Benannten Stellen verzögern. Ältere Medizinprodukte könnten eventuell in Zukunft nicht mehr erhältlich sein, da die Hersteller die Produktpalette überarbeiten.
Gesundheitseinrichtungen sollten sich mit Lieferanten und Herstellern zusammensetzen, um herauszufinden, welche Medizinprodukte lieferfähig und verfügbar und in Zukunft noch am Markt sind.
Klinische Daten
Kernpunkt der MDR sind auch die klinischen Daten zum Nachweis der Leistungsfähigkeit, der Beurteilung unerwünschter Nebenwirkungen und der Vertretung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses. Krankenanstalten sollten sich auf Änderungen vorbereiten: Prüfen Sie die Arbeitsverträge mit Ärzten und informieren Sie die Versicherung, um sich gegen etwaige Schäden im Rahmen von Studien abzusichern.
Wer im medizinischen Umfeld eine Software entwickelt, unterliegt ebenfalls besonderen Bestimmungen. Detaillierte, grundlegende Sicherheits- und Leistungsanforderungen sind einzuhalten und das Produkt muss auf einer klinischen Bewertung beruhen. Die Software muss Ergebnisse zuverlässig und wiederholbar liefern. Bei Erstauftreten eines Defekts müssen die daraus entstandenen Risiken möglichst verringert oder gar ausgeschlossen werden – das Risikomanagement muss wie die Informationssicherheit berücksichtigt werden. Für Hersteller einer Software bedeutet das: Ausreichende zeitliche, fachliche und finanzielle Ressourcen sind erforderlich. In einem hochdynamischen Feld, das das Rad neu erfindet, kommen Hersteller an der klinischen Prüfung oft nicht vorbei. Die Möglichkeiten sind aber vielfältig.
Eigenherstellung:
Medizinprodukte dürfen in Einrichtungen des Gesundheitswesens selbst hergestellt werden. Voraussetzung ist eine nicht industrielle Produktion. Und das Produkt darf nur dann hergestellt werden, wenn es am Markt nicht verfügbar ist, also eine Notwendigkeit herrscht. Diese Notwendigkeit muss wiederum dokumentiert sein und Auskunft darüber gegeben werden, warum der Markt nicht bedient werden kann. Diese Marktrecherche erfordert zeitliche Ressourcen, darauf sollten Inhouse-Hersteller zukünftig vorbereitet sein.
Relevante Datenbanken:
UDI (Unique Device Identification) ist ein standardisiertes System zur Identifikation von Medizinprodukten. Es dient der Rückverfolgbarkeit und dem Schutz vor Fälschungen und ist unter anderem in der MDR geregelt. Es wird global eingesetzt, die Informationen zum Medizinprodukt in eine Datenbank eingetragen. Verantwortlich für die Umsetzung ist der Hersteller.
EUDAMED dient ebenfalls der Registrierung von Medizinprodukten. Hersteller, Bevollmächtigte und Importeure tragen dort die Daten zum Medizinprodukt ein und aktualisieren diese über den gesamten Lebenszyklus. Vor allem Krankenanstalten dient die Datenbank als Erleichterung, aber die Datenbank ist noch nicht in vollem Umfang nutzbar: Zukünftig werden auch Informationen zu Vorkommnissen in der Datenbank abrufbar sein.
Am Podium:
• Dipl.-Ing. Michael Pölzleitner | medical device certification GmbH
• Ing. Johann Dori | TÜV AUSTRIA SERVICES
• Dipl.-Ing. Josef Mühlleitner | TÜV AUSTRIA SERVICES
• Ing. Mag. (FH) Bernhard Hochholdinger | OÖ Gesundheitsholding GmbH
• Dipl.-Ing. Volker Sudmann | medical device certification GmbH
• Poppy Abeto Kiesse, MSc. | GS1 Austria GmbH