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Newsartikel

Sicher, sauber, nachhaltig: Lebensmittel auf dem Prüfstand

  •   24.06.2019
  •   Business Assurance Industry & Energy Marketing
  •   Erstellt von TÜV AUSTRIA Akademie

Der Lebensmittelsicherheitstag des TÜV AUSTRIA und der Lebensmittelversuchsanstalt: Ein Blick entlang der Produktionskette.

Unter dem Aspekt der Lebensmittelsicherheit wurden an der diesjährigen Fachtagung alle relevanten Bereiche entlang der Produktionskette beleuchtet – von Standards über den Verarbeitungsprozess bis hin zur Verpackung.

Den Betrügern auf der Spur
Weltweit gehen jährlich 50 Mio. USD durch Lebensmittelbetrug verloren. Unter „Food Fraud“ versteht man das Inverkehrbringen von Lebensmitteln mit dem Ziel der vorsätzlichen Täuschung, um höhere Gewinne zu erzielen. Neben dem Schutz der Gesundheit des Menschen bildet der Schutz vor Täuschung die zweite wichtige Säule im Bereich des Lebensmittelrechts. Die Europäische Union hat daher mehrere Programme zum Schutz vor Täuschung ins Leben gerufen. Dazu zählt OPSON, an dem unter anderem Interpol, Europol und das Bundeskriminalamt koordinativ mitwirken. Die Liste der festgestellten Übertretungen ist lang: Mit Allergenen gestreckte Haselnüsse, umgeröteter Thunfisch oder konventionelle Ware, die fälschlicherweise als „bio“ gekennzeichnet ist, zählen zu den großen Themen in der Lebensmittelkriminalität. Die Highlights sind Markenfälschungen ebenso wie mit Olivenblättern verfälschter Oregano. Um die Sicherheit in der Lebensmittelkette und das Vertrauen in die Lebensmittelproduktion zu fördern, sind auch die Unternehmer (auf)gefordert, Gegenmaßnahmen zu setzen. Die Risikoanalyse der eingesetzten Rohstoffe im Lebensmittelverarbeitungsprozess spielt hierbei eine zentrale Rolle. Welche Rohstoffe kommen woher? Welcher Preisentwicklung unterliegen sie und liegen bereits Verstöße vor? Dies sind zentrale Fragestellungen, die es im Zuge der Analyse zu beantworten gilt.

Sicher verpackt?
Die Lebensmittelbranche ist in vielerlei Hinsicht gefordert: Die Auswahl geeigneter Rohstoffe, optimaler Fertigungsverfahren und Verpackungsmaterialien sind Schlüsselthemen, mit denen sich Produzenten, Lieferanten und der Handel auseinandersetzen müssen. Noch nie zuvor standen Verpackungsmaterialien im Fokus der Medien wie jetzt: Sie zählen zur Gruppe der „Food Contact Materials“ (Lebensmittelkontaktmaterialien) und können mitunter gesundheitsgefährdend sein. Kontaktmaterialien wie z. B. Kunststoffe oder Pappe, deren Ausgangs- und Hilfsstoffe mit Kontaminanten versetzt sein können, geben unter bestimmten Bedingungen Schadstoffe an Lebensmittel ab. Food Contact Materials unterliegen einer Reihe von sicherheitsrelevanten Regelungen (allgemeine und spezielle Bestimmungen). Für bestimmte Stoffe gelten Einzelmaßnahmen: Kunststoffe, rezykliertes Plastik, Beschichtungen. Die Nachfrage nach Bio-Kunststoffen und recycelten Kunststoffen bei Verpackungen steigt und wirft zusätzliche Fragen auf. Ist Umweltschutz wichtiger als Lebensmittelsicherheit? Neuartige Materialien (z. B. Bamboo Produkte) tragen scheinbar zur Nachhaltigkeit bei, haben aber schlechtere Hygieneeigenschaften und enthalten zudem mehr Hilfsstoffe. Strategie-Tipp für Anwender: Zur Überprüfung der Konformität von Kontaktmaterialien eignet sich insbesondere das 10 ppb-Screening, ein Testverfahren zur spezifischen Migration.

Bioplastik – Sinn oder Wahnsinn
Der Einsatz von Plastik als Verpackungsmaterial bringt eine Reihe von Vorteilen mit sich: Es verlängert die Haltbarkeit von frischen Lebensmitteln, ist handlich im Gebrauch und vereinfacht Transport und Logistik. Die Zahlen und Fakten sprechen jedoch gegen die Verwendung von Plastikverpackungen. Die Verwendungsdauer eines „Obstsackerls“ beträgt ungefähr eine halbe Stunde, die Anzahl der pro Jahr verwendeten Plastiksackerln beträgt weltweit 750 Millionen. Bioplastik wird derzeit als sinnvolle Alternative betrachtet, ob es sich in Zukunft bewähren wird, sei dahingestellt. Biokunststoffe sind im Laufe der Zeit biologisch abbaubar, aber nicht notwendigerweise kompostierbar – abhängig von den Umweltbedingungen. Die OK compost-Zertifizierungslogos helfen den Konsumenten bei der Unterscheidung und gliedern sich in drei Kategorien: OK compost, OK biobased und OK biodegradable. Werden Bioplastiksackerln nicht ihrem Endbestimmungsort entsprechend entsorgt (z.B. im Meer statt im Süßwasser), werden sie nicht oder nur sehr langsam abgebaut. Praxistipps: Plastiksackerln öfters verwenden und Konsumenten zur Plastikvermeidung animieren!

Standard für gesunden Menschenverstand
Der International Food Standard (IFS Food v6.1) brachte einige neue Aspekte, die dem Lebensmittelbetrug und dem risikobasierten Ansatz Rechnung tragen. Zertifizierte Betriebe sind zur Durchführung einer Verwundbarkeitsanalyse verpflichtet, bei der die Risiken für Food Fraud identifiziert und Maßnahmen dagegen implementiert werden sollen. Diese wird einmal jährlich überprüft. Einer eingehenden Risikoanalyse ist auch das Allergenmanagement zu unterziehen. Welche allergene Rohstoffe werden verarbeitet und wo kann es im Lebensmittelverarbeitungsprozess zu Kontamination kommen? Zur Analyse können Prozessdiagramme, Allergenrohstofflisten sowie Material- und Personalströme herangezogen werden. Der Verzicht auf allergene Gewürze oder Schmiermittel senkt bereits im Vorfeld das Kontaminationsrisiko. Conclusio: Die Evaluierung von Gefahren erfordert ein hohes Prozessverständnis – und viel GMV (Gesunder Menschenverstand).

Innovative Wege in der Lebensmittelproduktion
Lebensmittelproduzenten müssen Fertigungsprozesse an sich stetig ändernde Bedingungen anpassen. Spezielle Kundenwünsche, Anforderungen aus Normen und Audits, Materialeinsatz- und Absatzmengenplanung stellen potentielle „Turbulenzen“ dar. Hier können Lösungsansätze aus anderen Branchen helfen. Der Datenaustausch in der gesamten Supply Chain inklusive der Nutzung von Daten aus dem Lebensmitteleinzelhandel unterstützen bei der oftmals schwierigen Absatzmengenplanung. Sind das Produktsortiment variantenreich und die Losgrößen gering, können flexible Transportsysteme oder Assistenzsysteme die passende Lösung sein.

Was kann man in der Lebensmittelverarbeitung tun? Für Konsumenten bedeuten Lebensmittel Lebensqualität: Lebensmittel müssen sicher, sauber, nachhaltig sein und lange halten. Ohne Verarbeitung (Prozessierung) sind hohe Qualität und Sicherheit jedoch nicht möglich. „Minimal Processing“ (schonende Verarbeitung) ist ein Verfahren, mit dem diese Ziele erreicht werden können. Im Bereich der technologischen Prozessierung bietet sich das Hochdruckverfahren (für Säfte, Fleisch oder Seafood) an. Wasser wird unter Hochdruck gebracht und das Lebensmittel wird dadurch länger haltbar. Mittels „Ohmic Heating“ wird Strom durch ein Lebensmittel geleitet, wodurch ein Produkt (z. B. proteinreiche Lebensmittel) mit hoher Sterilisation und Qualität erzeugt wird. Durch vollständige Information am Produkt kann die Akzeptanz dieser Technologien beim Konsumenten zusätzlich gesteigert werden.

Wo sind die Keime?
Den Abschluss der hochinformativen Tagung bildete der Vortrag über die Entwicklung von Methoden zum Keimnachweis in der Produktionsumgebung. Erste Erkenntnisse aus einem laufenden Forschungsprojekt wurden vorgestellt. Luft ist eine maßgebliche Kontaminationsquelle für Keimausbreitung. Nachweisen lässt sich der Keimbefall beispielsweise durch die numerische Strömungssimulation. Mittels Computersimulation kann festgestellt werden, wo Kontamination stattfindet. Diese und andere Methoden sind Grundlage für verbesserte Dekontaminationskonzepte in den Betrieben.

Die Referent/innen
Henry Jäger (Universität für Bodenkultur Wien), Birgit Lehner (LB-Consulting e.U.), Andreas Müller (Amt der Wiener Landesregierung, MA59), Johanna Foisner (LVA GmbH), Julia Guthan (TÜV AUSTRIA CERT GMBH), Jan Henjes (Frauenhofer Austria Research GmbH), Elena Zand (Universität für Bodenkultur Wien)

 

Das Expertenteam und das TÜV AUSTRIA-Team des Tages: Sabine Redlich, Jan Henjes, Elena Zand, Lisa Schweinberger, Henry Jäger, Verena Weinberger, Julian Drausinger, Johanna Froisner, Rob Bekkers, Andreas Müller

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