Der Weg zum Fuhrpark der Zukunft
- 01.10.2017
- Erstellt von Christiane Reitshammer, Marcus Fehringer
Die Zahl der Elektroautos liegt in Österreich derzeit bei rund 10.300. Das ist bei einer Gesamtzahl von 4,8 Millionen Pkw noch wenig, aber: Tendenz steigend. Allein im ersten Quartal 2017 wurden laut Statistik Austria 1.226 Elektroautos gekauft (+24 % zum Vergleichszeitraum 2016). Ausschlaggebend für die Zunahme in Österreich ist zu einem guten Teil das „Aktionspaket zur Förderung der Elektromobilität“, das von den Ministerien BMLFUW und bmvit gemeinsam mit den heimischen Automobilimporteuren geschnürt wurde. Seit April gibt es zudem neue grüne Nummerntafeln für Elektro- und Brennstoffzellenautos. Auf kommunaler Ebene verschaffen diese den E-Autofahrern einige Vorteile: z. B. Gratisparken in mehreren Städten wie etwa Graz, Klagenfurt, Villach, Innsbruck, Krems und Wels.
E-Mobility: Neue Herausforderungen
Unternehmen, die eigene Fahrzeuge in Verwendung haben, müssen reagieren. „Häufig wird E-Mobilität mit dem CO2-Fußabdruck begründet“, erklärt Christian Rötzer, Geschäftsführer TÜV AUSTRIA Automotive. „In der unternehmerischen Praxis spielen jedoch die technischen und betriebswirtschaftlichen Vorteile die wesentlichere Rolle.“ Immer wichtiger werden auch gesetzliche und innerstädtische Vorgaben. „Mittlerweile gibt es Orte, die mit einem traditionellen Dieselmotor nicht mehr befahren werden dürfen. Die Vorgaben bezüglich Lärmund Emissionsbelastung weisen also merkbar
in Richtung E-Mobilität“, so Rötzer. Noch immer herrscht bei Entscheidungsträgern Skepsis, ob E-Mobilität ein Zukunftsthema sei, doch genau diese „opinion leader“ könnten diese vorantreiben. „Elektromobilität braucht Vorbilder. Gerade Entscheider ebnen den Weg für nachhaltiges Mobilitätsverhalten, denn 60 Prozent der Pkw-Neuzulassungen erfolgen in und durch Unternehmensflotten und Fuhrparks der öffentlichen Hand“, weißt Heimo Aichmaier,
Geschäftsführer von Austrian Mobile Power, Plattform zur Förderung von E-Mobilität.
„Entscheider der öffentlichen Hand und nachhaltig agierender Unternehmen müssen an emissionsarmen, nicht fossil betriebenen Elektrofahrzeugen Interesse haben, nicht nur da sie sich rechnen, sondern weil dies gelebte CSR-Nachhaltigkeit ist.“
Investitionen & Wirtschaftsfaktor
Alternativen sind also notwendig, dazu braucht es aber Infrastruktur und technische Entwicklungen im Gleichschritt. Autohersteller und –zulieferer investieren laufend in diese Zukunft. Einer der weltweit größten Zulieferer Continental investiert etwa zusätzlich 300 Mio. Euro in das Geschäft mit
Elektroantrieben. In Österreich soll die E-Mobilität bis zum Jahr 2030 rund 33.900 neue Arbeitsplätze bringen und hat laut Austrian Mobile Power ein Wertschöpfungspotenzial von 3 Mrd. Euro.
„Elektromobilität erfährt weltweit massiven Zuspruch. Alle Hersteller setzen auf die Elektrifizierung
des Antriebs von Fahrzeugen, nicht nur um der Abhängigkeit von fossilen Energieträgern im Verkehr zu entgehen, sondern auch um das Flotten-CO2-Ziel von 95gCO2/km fristgerecht im Jahr 2021 zu
erreichen“, erklärt Aichmaier.
Noch mehr Schwung in die E-Mobilität in Österreich sollte ein flächendeckendes Versorgungsnetz
an E-Ladestationen bringen, um Wartezeiten an den Stationen oder zu lange Ladezeiten zu verhindern. „Elektrofahrzeuge werden immer geladen, wenn sie auf die Benutzer warten, sprich wenn diese parken. Dazu werden technisch sichere, auffindbare und leistungsmäßig bedarfsgerechte Ladeinfrastrukturen benötigt, denn 80 Prozent der Ladungen erfolgen am Wohn- oder am
Arbeitsort“, so Aichmaier. Seit April dient dazu das landesweite Ladesystem für Elektroautos BEÖ, an dem elf große Energieversorger beteiligt sind. Bis zum Jahresende sind 2.000 Stationen geplant, bis 2020 5.000. Ein umfangreiches Ladenetz bietet außerdem auch die Verbund-Tochter SMATRICS in Kooperation mit der OMV. Derzeit verfügt das SMATRICS-Netz über rund 400 Ladepunkte in ganz Österreich. Zunächst soll das Netz in Österreich und Deutschland ausgebaut werden. In weiterer Folge wird eine mögliche Expansion nach Tschechien, die Slowakei, Slowenien und Ungarn geprüft.
Unterstützung für Unternehmen
„Unternehmen können mit guter Beratung und intelligenten Lösungen gute Ladeanlagen für den eigenen Fuhrpark, aber auch für die Mitarbeiter konzipieren und bereitstellen“, meint Aichmaier. Für TÜV AUSTRIA ist E-Mobilität nicht nur Zukunftsthema, sondern Auftrag. Mit „e-fleet“ wird eine gesamtheitliche Lösung für die Herausforderungen an den Fuhrpark der Zukunft geboten. Kunden profitieren von einem fachbereichsübergreifenden Know-how in den Bereichen Fuhrparkoptimierung- und administration, Elektromobilität, Energieeffizienz (EnEffG – Transport), Infrastruktur (Ladestationen, Photovoltaikanlagen & Batterie-Speichersysteme) und Förderungen.
„Mehr drin ist durch fachkundige Unterstützung des TÜV AUSTRIA, um Fehlinvestitionen und strategische Fehler zu vermeiden“, weiß Rötzer. „In erster Linie entwerfen wir eine konzeptionelle und individuelle Lösung. Jeder Kunde stellt vollkommen unterschiedliche Anforderungen
an seinen Fuhrpark, dementsprechend enabgestimmt muss das gewählte Konzept sein“, erklärt der TÜV AUSTRIA-Experte: „Zusätzlich zur elektrischem Abdeckung des Mobilitätsbedarfs rechnen wir sämtliche steuerliche Effekte, wie die Lohnsteuerbemessungsgrundlage und den Sachbezug, in einer Gesamtkostenrechnung (TCO-Rechnung) ein“.
Internationale Tendenzen
Das Geschäft mit Elektroautos ist bekanntlich noch ein Nischenmarkt. Wann es zum „Big Business“ wird, ist – wie bereits erwähnt – umstritten. Manche Experten gehen davon aus, dass die fossilen Antriebe noch lange dominieren werden. Trotzdem bekennen sich eigentlich alle großen Hersteller zur elektrischen Mobilität.
Mit Blick auf den ständig wachsenden chinesischen Markt ist das wohl auch eine strategische Entscheidung. China will nämlich bis 2025, dass ein Fünftel der im Jahr im Land verkauften Fahrzeuge Elektro- oder Hybridantriebe besitzen. Laut Plan sind das dann fast sieben Millionen Fahrzeuge jährlich. Dabei schwingt auch eine Drohung an die etablierten OEMs mit. Die Volksrepublik plant die alternative Antriebe-Produktion der chinesischen Hersteller fördern und hofft, dass diese künftig auch im Ausland Fuß fassen.
Deutschland dagegen hat sich von dem Elektroautoziel bis 2020 (eine Million Fahrzeuge) wieder verabschiedet. Auch Daimler-Chef Dieter Zetsche glaubt nicht an diese Vorgabe, was aber „kein Drama ist“. Der Konzern bleibt seiner Linie treu und treibt die Produktion und Entwicklung von E-Modellen weiter voran. Zetsche betonte dazu bereits mehrfach, das „emissionsfreie Fahren steht im Zentrum der Konzernstrategie“. Bis 2025 soll der Anteil der E-Fahrzeuge 25 Prozent am Gesamtabsatz des Unternehmens ausmachen.
Ein ähnliches Ziel verfolgt auch VW. Die Wolfsburger wollen bis 2025 Marktführer in der Elektromobilität werden und jährlich eine Million batteriebetriebene Autos verkaufen.
GM wiederum setzt sich das ehrgeizige Ziel, der erste Autobauer zu sein, der mit Elektroautos Gewinne macht. Man arbeite daran, die Kosten für derartige Autos zu senken und zu erschwinglichen Preisen anbieten zu können, erklärte kürzlich der produktionsverantwortliche Manager Mark Reuss.
BMW ist bekanntlich ebenfalls im Elektroauto-Bereich tätig – den Aktionären aber mit zu wenig Engagement. Mittlerweile würden US-amerikanische und chinesische Unternehmen die Technologie federführend vorantreiben, kritisierte die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). BMW-Chef Harald Krüger sieht das anders: „Wir kommen zügig voran. Der elektrische BMW i3 gehört zu den drei weltweit am meisten verkauften Elektroautos.“
Dass das Geschäft mit E-Autos noch kein Selbstläufer ist, hat das „Starunternehmen“ Tesla im ersten Quartal zu spüren bekommen. Wohl wurden wieder neue Rekorde bei Produktion, Auslieferung und Umsatz erzielt, trotzdem stürzte das Unternehmen noch
tiefer in die roten Zahlen.
Verbrennungsmotor bleibt Forschungsthema
Der Schwanengesang des Verbrennungsmotors liegt trotz des medialen Hypes um den E-Antrieb aber noch in weiter Ferne. Dieser Meinung sind zum Beispiel auch Forscher der TU Graz. Die Forschung am Verbrennungsmotor sei trotz des Trends zu alternativen Antrieben „notwendiger denn je“, erklärt Helmut Eichlseder, Leiter des Institutes für Verbrennungskraftmaschinen und Thermodynamik an der TU Graz.
Elektromobilität sei aus seiner Sicht „insbesondere für den urbanen Verkehr eine sehr interessante Möglichkeit“, für viele Anwendungen wie Fernverkehrs-Transporter, Landmaschinen, leistungsstarke Baumaschinen und Frachtschiffen, werde die Verbrennungskraftmaschine überhaupt der Motor der Wahl bleiben.