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Newsartikel

Elektromagnetische Verträglichkeit im Test

  •   20.06.2016
  •   Industry & Energy
  •   Erstellt von Mario Wasserfaller

Neue Prüfhalle des TÜV AUSTRIA „spielt alle Stückln".

Handy, Geschirrspüler oder Auto: Wo Strom fließt, wird auch elektromagnetische Strahlung emittiert. Damit sich einzelne Komponenten und Geräte nicht gegenseitig stören oder lahmlegen, steht vor der Serienproduktion die Elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) auf dem Prüfstand. Dies geschieht in der neuen EMV-Prüfhalle des TÜV AUSTRIA in Wien, die vor allem der steigenden Nachfrage im Fahrzeugbereich Genüge tun soll.

EMV-Messungen führt der Prüf- und Zertifizierungsdienstleister schon seit mehr als 20 Jahren durch, wie Wilhelm Seier, bei TÜV AUSTRIA für Nachrichtentechnik und EMV zuständig, erklärt. Durch den immer größeren Anteil von elektronischen Komponenten habe sich aber ein zunehmender Bedarf ergeben, nicht nur Komponenten, sondern ganze Fahrzeuge beurteilen zu können. Auch große Hersteller aus der Automotive-Branche bis hin zu den Zulieferern hätten aufgrund des verstärkten Innovationsdrucks und ständig neuer Spezifikationen nicht immer die Möglichkeiten, solche Messungen selbst vorzunehmen.

Elektrische und elektronische Geräte emittieren grundsätzlich elektromagnetische Felder, können aber auch von externen Feldern beeinflusst werden. „Wenn es zu Beeinträchtigungen kommt, kann es sein, dass die Funktion des Produkts nicht mehr gewährleistet ist", erklärt Seier. Kritisch kann das freilich dort werden, wo die Sicherheit von Menschen gefährdet ist, vom ABS-System im Auto bis zum Herzschrittmacher. Eigens festgelegte EMV-Richtlinien sind daher auch Teil der CE-Kennzeichnung, mit der erklärt wird, dass das Produkt allen anzuwendenden EU-Vorschriften entspricht.

Komplette Trennung von der Umwelt

„Um die EMV-Eigenschaften eines Produktes, also die Abstrahlung, die an den freien Raum abgegeben wird, zu messen, muss man den Prüfling von der Umgebung trennen", so der Experte über die Anforderungen bei der Konstruktion der neuen „multifunktionalen EMV Mess- und Prüfhalle zur Beurteilung von gestrahlten (radiated) Emissions- und Immunitätseigenschaften von Geräten, Anlagen und Komponenten". Gewährleistet wird diese Trennung von diversen äußeren Störquellen – wie (Mobil-)Funk, Radio- und Fernsehwellen – durch eine metallische Schirmkonstruktion. Um innerhalb des Raums normenkonform messen zu können, müssen die Wände und die Decke mit absorbierenden Materialien ausgekleidet werden, die eine Reflexion der Aussendungen soweit reduzieren, dass sie keinen messbaren Beitrag mehr liefern. Diese Anforderung wird durch Pyramidenabsorber, die über Ferritmaterial angebracht sind, realisiert („SEMI-ANECHOIC CHAMBER").

Entsprechend den Anforderungen ist die Prüfhalle mit einer Grundfläche von 15 mal 12 Metern und einer Höhe von 6,5 Metern großzügig und flexibel konstruiert: Zentrales Element ist eine Drehscheibe mit sechs Metern Durchmesser und einer möglichen Gesamtbelastung von acht Tonnen. Dadurch ist man in der Lage, nicht nur ein gesamtes Fahrzeug, sondern auch diverse Industrieeinrichtungen bewerten zu können. Die Einbringung der Prüflinge erfolgt über ein Schiebetor mit einem lichten Öffnungsmaß von drei mal drei Meter.

Das Verfahren selbst kann sich über mehrere Stunden erstrecken. „Der Prüfling wird um 360 Grad gedreht, eine Messantenne wird in Höhe und Polarisation variiert und der Prozess wird über den jeweils zu beurteilenden Frequenzbereich betrachtet", beschreibt Seier das übliche Mess-Setup mit den, wohlgemerkt, nicht-menschlichen „Prüflingen". Denn wo es darum geht, die elektromagnetische Exposition von Menschen zu prüfen (Elektromagnetische Umweltverträglichkeit, EMVU), braucht man klarerweise keine abgeschirmte Umgebung mehr, sondern misst jeweils an Ort und Stelle, beispielsweise die Hochfrequenz-Feldstärke von Mobilfunksendeanlagen.

Auszug aus den anwendbaren Normen

  • EN 55011 Industrielle, wissenschaftliche und medizinische Geräte-Funkstörungen – Grenzwerte und Messverfahren
  • EN 55014 Elektromagnetische Verträglichkeit – Anforderungen an Haushaltsgeräte, Elektrowerkzeuge und ähnliche Elektrogeräte
  • EN 55022 Einrichtungen der Informationstechnik – Funkstöreigenschaften – Grenzwerte und Messverfahren
  • EN 55032 Elektromagnetische Verträglichkeit von Multimediageräten und -einrichtungen
  • EN 61000-4-3 Elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) – Teil 4-3: Prüf- und Messverfahren – Prüfung der Störfestigkeit gegen hochfrequente elektromagnetische Felder
  • CISPR 25 Fahrzeuge, Boote und von Verbrennungsmotoren angetriebene Geräte – Funkstöreigenschaften – Grenzwerte und Messverfahren für den Schutz von an Bord befindlichen Empfängern
  • ISO 11451-2 Road vehicles – Vehicle test methods for electrical disturbances from narrowband radiated electromagnetic energy
  • ISO 11452-2 Road vehicles – Component test methods for electrical disturbances from narrowband radiated electromagnetic energy
  • RTCA DO-160G Environmental Conditions and Test Procedures for Airborne Equipment
  • MIL-STD-461F Requirements for the control of electromagnetic interference characteristics of subsystems and equipment  
EMV-Test in der neuen TÜV AUSTRIA EMV-Prüfhalle in Wien, (C) TÜV AUSTRIA, Andreas Amsüss

Elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) auf dem Prüfstand. Dies geschieht in der neuen EMV-Prüfhalle des TÜV AUSTRIA in Wien, (C) TÜV AUSTRIA, Andreas Amsüss

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